von Chris Kraus, mit Paula Beer, Edgar Selge, Tambet Tuisk, Jeanette Hain und Richy Müller
Poll, oder wie es heute heißt, Põlula, ist ein Kaff Ort in Estland. Muss man nicht kennen, es sei denn, man schaut diesen Film. Denn der Tod ihrer Mutter führt die junge, pubertierende und recht rebellische Oda Schaefer im Sommer 1914 in genau diesen Ort. Ihr Vater lebt dort in zweiter Ehe recht gediegen in einem, wie Makler sagen würden, charaktervollen Haus, idyllisch am Wasser gelegen. In dieser baufälligen Bruchbude im Schatten der kommenden historischen Ereignisse wird Oda also ihren Sommer verbringen. Was ihr nicht sonderlich gefällt. Weder ist ihre Beziehung zum Vater, der in seiner Freizeit Gehirne von estnischen Atheisten studiert, sonderlich innig, noch die Beziehung zum Rest ihrer Patchworkfamilie, zum Ort, zu den Russen, zu allem. Einzig ihr Tagebuch ist ein Freund, dem sie ihre Gedanken anvertrauen kann.
Etwas Abwechslung bringt ein estnischer Atheist, genannt „Schnaps“, in Odas neues Leben. Sie findet ihn verwundet im Wald, versteckt ihn in einer alten Scheune und päppelt ihn wieder hoch. Als Dank inspiriert er sie mit seinem atheistischen Gedankengut und ist ihr ein Lehrer, dessen Lehren bei Oda auf fruchtbaren Boden fallen und der Familie noch einigen Ärger bringen werden. Doch der Ärger der Historie ist erstmal größer, denn der Weltkrieg wirft seine Schatten voraus, und auch Schnaps muss allmählich an seine weiter Flucht denken – sehr zum Kummer von Oda…
Komisch, beim schreiben hört sich der Film gar nicht so anstrengend an, wie er sich im Kino anfühlte. Aber er ist anstrengend. Beladen mit historischen Anspruch und der dem Erfolg von Vier Minuten zu verdankenden künstlerischen Freiheit plätschert der Film in tolle, geheimnisvolle Bilder gehüllt und mit doppelbödigen Dialogen im Original Ostpreussenslang vor sich hin, während man sich, als Zuschauer stellenweise mit dem Schlaf kämpfend, wünscht, der Film möge jetzt bitte endlich zum Punkt kommen.
Dass er das schließlich in einem für einen deutschen Historienfilm ungeahnt furiosen Finale auch tut, sei positiv vermerkt, ebenso wie die beachtliche Optik, die mit Kostümen, Kulissen und toller Kameraarbeit glänzt. Dennoch ist es kein Film, den man sich anschaut, ohne einen wirklich guten Grund dafür zu haben. Warum er dann überhaupt gemacht wurde erklärt sich in dem Umstand, dass Oda tatsächlich gelebt hat, bedeutende Dichterin wurde und die Großtante vom Regisseur ist. Immerhin. (6/10)