von Henry Selick, mit den Stimmen von Dakota Fanning, Teri Hatcher, Jennifer Saunders, Dawn French, Keith David, John Hodgman, Robert Bailey Jr. und Ian McShane
Coraline ist sauer. Ihre Eltern sind mit dem 11-jährigen Mädchen gerade in einen abgelegenen Ort in ein komisches Haus gezogen, die Umzugskartons stehen überall herum und die Leute sind merkwürdig. Vor allem aber ist ihr langweilig, doch ihre Eltern arbeiten ununterbrochen an einem Buch und haben weder Zeit zum Spielen noch zum Kochen. Ihre Stimmung bessert sich, als sie im Haus eine kleine, geheime Tür findet, die sie durch einen langen Tunnel in eine Parallelwelt führt. Dort trifft sie auf ihre anderen Eltern, die mit ihr spielen und anderen Unsinn machen, für sie kochen, eine tollen Garten haben und in der sich alles magisch-zauberhaft nur um Coraline dreht. Einziger Haken: Alle Menschen dort haben Knöpfe statt Augen. Bis auf den streunenden Kater, den sie schon aus ihrer Welt kennt. Er hat keine Knöpfe, dafür kann er sprechen. Und was er spricht ist eine Warnung, eine Warnung vor der anderen Mutter und ihren finsteren Plänen. Und tatsächlich, eines Abends tritt die andere Mutter mit einer Bitte, einer einzigen Bitte an Coraline heran: Sie soll ihre Augen für Knöpfe hergeben…
Wow. Genau genommen: Doppelt Wow. Zum einen für den Film, zum anderen für 3D. Denn dieser Film wurde komplett in 3D gedreht, und wenn man ein Kino in der Nähe hat, dass 3D Filme zeigt, solltet Ihr Euch das keinesfalls entgehen lassen. Denn hier stoßen tatsächlich mal die räumliche Tiefe des Films und inhaltliche Tiefe des Films aufeinander, und das Ergebnis reißt einen vom Stuhl und saugt einen geradewegs in die andere Welt jenseits der Leinwand.
Eine weitere technische Besonderheit ist die Machart. Der Film wurde komplett im Stop-Motion-Verfahren gemacht. Also mit kleinen Püppchen, die von Bild zu Bild in Handarbeit bewegt werden. Bis zu 450 Puppenspieler arbeiteten an 130 Sets verteilt auf 53 Studios 18 Monate an diesem Film. Das schöne an diesen Superlativen ist aber, dass man sie vergisst, sobald die Handlung einen in ihren Bann zieht. Coraline wickelt uns in kürzester Zeit um ihren animierten Finger, und nimmt uns mit in ihre traumhaft-schön-bizarre Welt dies- und jenseits der Tür.
Und lässt uns mit ihr fiebern, bis sie erkennt, dass die Traumwelt hinter der Tür ein egozentrischer Kindertraum ist, dem man entwachsen muss. Es sei denn, man verschließt die Augen für immer vor der Tatsache, dass andere Menschen eigene Interessen haben, die man man anerkennen muss. Coraline lernt, dass die Liebe der Eltern sich nicht durch gutes Essen und andauernde Aufmerksamkeit zeigt, sondern eine Konstante ist, ohne die all das Beiwerk nichts wert ist. Und wird mit der Erkenntnis eine Stück erwachsen. So viel Metaphorik und der leichte Grusel machen diesen Film mit Sicherheit für kleine Kinder ungeeignet, für Erwachsene und größere Kinder aber um so mehr zu einem Kinoerlebnis, das nachwirkt. Insofern kann man dem Regisseur Henry Selick, der zuvor schon mit Nightmare before Christmas und James und der Riesenpfirsich sein Händchen für Animationsfilme bewies, nur die Schaffung eines Meisterwerks bescheinigen. Danke! (9/10)