von Kenny Ortega, mit Michael Jackson
Oh Mann, was soll man als kleiner Freizeitkinoreporter noch über Michael Jackson schreiben, was nicht schon woanders geschrieben wurde. Und warum muss ich das hier eigentlich schreiben, wo Musik doch eher Tobes Metier ist. Aber da der sich Michael Jackson verweigert und „This is it“ eben auch ein Kinofilm ist, sitze ich hier und lausche dem dazugehörigen unvermeidlichen Soundtrack, während ich meine Gedanken kreisen lasse wie Michael seine Füße…
Der Film fängt mit den Proben zu Michaels Konzertreihe „This is it“ an, die seine letzte hätte sein sollen, und die tragischerweise ihren Schöpfer überdauerte und nie auf die Bühne kam. Schnell zieht einen die ursprünglich nur für Michael Jacksons Privatarchiv gedachte Dokumentation in den Bann, der vom Elan der Mitwirkenden versprüht wird. Vergessen sind Michaels Skandale, die Missbrauchsvorwürfe, die bizarren Geschichten über das Privatleben eines einsamen, reichen Künstlers. Auf der Bühne mit Leuten, für die er zum Teil seit ihrer Kindheit Idol ist und für die der Auftritt die Erfüllung eines Lebenstraums ist, lässt jedes Bild und jeder Takt die Begeisterung spüren, mit der alle bei der Sache sind. Über allen steht Michael. Er arbeitet doppelt so hart wie alle anderen, er kennt alle Tempi und Takte seiner Stücke auswendig, er ist Perfektionist, er hat präzise Vorstellungen davon, wie er sich und sein Publikum auf eine Reise durch die Popgeschichte und um die Welt entführen will. So unsicher er in Interviews wirkt, so unbeholfen er sich in der Wirklichkeit bewegt, auf der Bühne ist er zu Hause. Und gefangen zugleich.
Vom Regisseur der Show aus den zahlreichen Proben zusammengeschnitten, erleben wir Klassiker wie Thriller, Billie Jean, den Earth Song, Smooth Criminal und zum Abspann schließlich auch This Is It. Jedes Stück ein Juwel und mit Tänzern und perfekter Technik eingefasst zu einem Schmuckstück bekommen wir eine ziemlich präzise Vorstellung davon, wie die Show ausgesehen hätte. Eingebettet in Interviews mit Musikern und Tänzern, Ausschnitten von Dreharbeiten zu den Videoeinspielern und Stellproben bekommen wir noch dazu einen Einblick darin, wie viel Arbeit von hunderten von Leuten hinter einer solchen Show steckt. Leuten die nicht ahnen, dass sie die einzigen sind, die diese Show jemals live erleben sollen.
Aber wenn dann die letzten Takte verklungen sind, der Saal sich leert und die letzten Füße ausgewippt haben, wird der Verlust eines ganz großen Künstlers besonders schmerzlich bewusst. So verkorkst sein Privatleben auch war, war Michael Jackson ein begnadeter Künstler. Ein Künstler, dessen „I love you“ keine hohle Phrase war, sondern aus tiefstem Herzen kam. Ein Mann dem man mit seiner Sorge um die Umwelt („Earth Song“) Naivität vorwerfen kann, der sich aber in Wirklichkeit nur ernsthaft Sorgen um unsere Welt gemacht hat und mit seinen Mitteln versucht hat, die Welt zu ändern. In Zeiten pragmatischer, kühler Weltpolitik, in Zeiten zynischer Finanzkrisen, Zensur, Menschenrechtsverletzungen und bedeutungsloser Klimagipfel wird einem schmerzlich bewusst, dass die Welt besser wäre, wenn es mehr Menschen wie Michael Jackson gegeben hätte, Menschen, die mehr geben als sie nehmen. Er hat schlussendlich mehr gegeben, als er geben konnte, und ohne ihn wird die Welt ein wenig grauer und um ein paar Träume ärmer sein… Dieser Film ist sein Vermächtnis. (9/10)
Hallo Chrjue,
wenn Deine Gedanken kreisen wie Michaels Füße, ist das endlich mal eine Erklärung dafür, wie Dir all der „Senf“ einfällt, den Du hier schreibst 😉
Danke für die schöne Filmkritik! Habe eben zum ersten Mal den Trailer gesehen. Genial zusammengeschnitten!
Bis zum nächsten Mal,
Schraddel-N.
Moment mal! Woher kommt denn die Aussage, ich würde mich Michael Jackson verweigern. Im Gegensatz zu Dir kann ich alle Michael Jackson Singles in chronologischer Reihenfolge mit Jahreszahl herunter beten und sogar nachtanzen – wobei der King of Pop sich dabei vermutlich im Grabe umdrehen würde… und schließlich gönnen wir ihm die Ruhe im ewigen Neverland.
Ob eine Welt mit mehr Michael Jacksons wirklich besser wäre, wage ich zu bezweifeln. Tatsächlich aber könnte sich jeder von uns abseits der Show und des Pathos mit den (wenn auch naiven) Visionen seiner Lieder auseinander setzen und darüber nachdenken, wie jeder einzelne dazu beitragen kann, ihnen näher zu kommen.