Ich kann ja gut verstehen, dass es für kofferträgerverwöhnte Pauschaltouristen nicht einfach ist, Vertrauen zu einem Trageutensil wie einem Rucksack aufzubauen. Zumal er im leeren Zustand einem kleinen, zusammengefallenen Haufen Stoff gleicht, nur um vollgepackt dann so auszusehen, als würde man es ohne eine Horde himalayaerprobter Scherpas nie weiter als bis zur nächsten Straßenecke schaffen.
Viele verzagen ja schon vor Urlaubsantritt beim Packen ihrer überdimensionierten Hartschalenkoffer und entschließen sich dann resigniert für die Anmeldung von Übergepäck. Wir aber widmen uns heute der Kunst, den Minimalismus in Perfektion auszuleben und damit der Fragen Halbschuhe oder Wanderstiefel, Sandalen oder Flip Flops, 3 oder 12 Unterhosen – ähm – Claudia hol die Hartschalenkoffer vom Dachboden wir buche doch lieber wieder pauschal und nehme einfach alles mit.
Ok, bei der Planung einer Rucksackreise ist klar, das hier nicht die Luxusausrüstung von Nagelschere bis Wimpernklammer im Schlund des ach so geliebten Tragegepäckstücks verschwinden kann, sondern die Zauberworte Pragmatismus und Funktionalität den Ton bei der Gepäckauswahl angeben, denn schließlich muss man jedes Gramm durch den ganzen Urlaub schleppen. Genau von dieser Angst leben die Ausrüstungstempel dieser Welt, ist eine Reise in das mysteriöse Italien heute ja ohne den neuen Extremwanderstiefel, einen faltbaren Eispickel und den nordpolerprobten Fertiggerichtkocher mit eigener Gasversorgung gar nicht mehr vorstellbar. So besitze auch ich mittlerweile viele überteuerte, aber lustige Reisegimmicks, obwohl es viel wichtiger ist, sich schon vorab genau mit folgenden Fragen zu beschäftigen:
- Wo geht es hin?
- Was genau habe ich dort vor?
- Welche Ausrüstung kann ich auch vor Ort besorgen oder mieten?
- Welche klimatische Umgebung erwarte ich zu meiner Reisezeit?
Ja, ja ich weiß klingt total simpel, aber wer schon mal in Ecuador unterwegs war wird mir zustimmen, dass es spätestens dann recht kompliziert wird, wenn man von einem Tag auf den anderen aus dem tropischen Regenwald auf Höhen von 4000 Meter und höher wechselt, nur um zwei Tage später auf den Galapagosinseln mit den Robben um die Wette zu schwimmen.
Wenn ich in den letzten Jahren eines gelernt habe, dann, dass man grundsätzlich zu viel einpackt! Für Wandertouren haben sich besonders kombinatorisch einsetzbare Klamotten mit abtrennbaren Ärmeln oder Hosenbeinen bewährt, sowie alles was leicht, atmungsaktiv und wetterfest ist, aber auch in feuchter Umgebung noch schnell trocknet. Neben dem ganzen Wandergedöns sollte für die lustigen Abende, in denen man mit Reisebekanntschaften durch die Kneipen turnt, auch immer ein Satz Normalo-Klamotten dabei sein (natürlich niemals das St. Pauli Cap vergessen). Aber auch hier sollte man sich überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, T-Shirts in Asien oder Südamerika besser für wenig Geld vor Ort zu kaufen, als sie mitzuschleppen.
Besonders abwägen sollte man, ob Ausrüstung wie Schlafsack, Zelt, Wanderstöcke etc. notwendig sind, wenn sie z.B. nur für einige Tage benötigt werden. Oder für Touriwandertouren. Den Gedanken, dass Rucksackreisen einen Expeditionscharakter à la Mount Everest oder Indiana Jones besitzen, kann man getrost vergessen, denn die vielen Reiseveranstalter am Urlaubsort sind auf Flip Flop und Badeshorts tragende Amerikaner und Europäer eingestellt, die sich im Urlaub höchstens an der Theke verausgaben wollen. Aber auch bei selbst organisiertem Trekking lohnt sich zu prüfen, was vor Ort gemietet werden kann.
Abschließend muss ich noch sagen, dass man auf keinen Fall bei der Hygiene (z.B. ein Schlafsackinlay, Wasserfilter) oder der Bestückung der Reiseapotheke anfangen sollte knauserig zu werden, denn ereilt einen im Urlaub die Diarrhö oder eine Lebensmittelvergiftung, ist es sicher ein Ansatz, möglichst viele Unterhosen zum Wechseln mitzunehmen, ich persönlich bevorzuge aber die Variante eines medikamentösen Gegenschlags mit einem Breitbandantibiotikum.
In diesem Sinne: Seid auch weiterhin kräftig Unterwegs!