Okay, ich gebe zu: Bei mir dauert es immer etwas länger, bis ich die Jahresabschlusslisten verdaut habe. Zum Jahreswechsel freute man sich noch, Lieblinge wie Sigur Rós, The Notwist, Death Cab for Cutie und Bloc Party souverän in den unterschiedlichen Listen vertreten zu sehen, man ärgerte sich über die flächendeckende Überschätzung von Portishead und Hot Chip sowie die Nichtberücksichtigungen von Coldplay und Nada Surf. Und schließlich hob man behutsam die Neuentdeckungen MGMT (gesprochen: „Management“) und Bon Iver auf, um sie ans Herz zu drücken und den ganzen Januar lang „Kids“ oder „Time to pretend“ vor sich hin zu trällern. In den Bestenlisten fand auch (zu recht) das letzte Oasis Album Erwähnung, wenn auch (zu recht) nicht auf den Topplatzierungen. Die Band aus Manchester hat sich im letzten Jahr mit dem wieder deutlich inspirierteren Dig Out Your Soul ins Britpop-Business zurückgemeldet und man darf gespannt sein, ob die nächste Single „Falling Down“ auch ihre Radioabstinenz der letzten Jahre beenden wird.
Die besseren Oasis kommen dieses Jahr allerdings aus Chingford, London und heißen The Rifles.
2006 erschien deren Debut No Love Lost und vielleicht lag es am Alter der vier Engländer, dass sie gegenüber damals neu gehypten und blutjungen Bands wie The Kooks oder Arctic Monkeys eine betont unbetonte Lässigkeit an den Tag legen konnten, als wären ihnen vollkommen klar, dass die Welt sich auch ohne ihre Musik weiter drehen würde. Das hatte und hat ein erfrischendes Desinteresse an der Rezeption, aber vor allem reihte sich auf No Love Lost ein Hit an den anderen, die beim ersten Mal so herrlich unspektakulär daher kamen, dass man fast nicht merkte, wann man das erste Mal einen ganzen Tag lang „Peace & Quiet“ oder „One Night Stand“ im Ohr hatte… und es sollte nicht der letzte Tag sein.
Das Kontinuität auch schön sein, beweist nun das zweite Album The Great Escape. Musikalisch noch etwas lässiger mit viele akustischen Elementen ausgestattet, klingt es einfach verdammt nach den Rifles. Schon die eröffnenden Songs „Science in Violence“ und „The Great Escape“ lassen einen entspannt energisch durch das Wohnzimmer wippen und über jeden lässig angedeuteten Melodiebogen im Gesang von Joel Stoker freuen. Wohl keine Band ist derzeit in der Lage, ohne jegliche Allüre einen dermaßen und in jeder Hinsicht zurückgelehnten Song wie „Toerag“ abzuliefern.
Auch passiert es The Rifles nicht, dass die Qualität des Albums gegen Ende abfällt. Im Gegenteil, das lakonisch romantische „Romeo and Julie“ mit der schönen Zeile „we could be Romeo and Julie of our time – if we could only see the difference between a heartache and a lie“ sowie „The General“ sind zwei der Highlights des Albums. Das abschließende „For The Meantime“ beginnt zwar exakt wie „Strawberry Fields Forever“ aber auch das verzeihen wir gerne, die Rifles sind einfach viel zu cool, um sich als die neuen Beatles zu sehen, und das Lied setzt einen schlichten aber gezielten Schlusspunkt unter ein wirklich rundes Album.
(8 Punkte)
Diskografie von The Rifles:
2006 – No Love Lost
2009 – The Great Escape