von Uli Edel, mit Moritz Bleibtreu, Martina Gedeck, Johanna Wokalek und Bruno Ganz.
Gerade die „Generation Golf“ kennt sie noch, die RAF-Fahndungsplakate, die einem in der Jugendzeit vom zahlreichen Wänden entgegenprangten und vor gefährlichen Terroristen warnten. Die Wurzeln und Hintergründe der RAF waren einem damals sowohl unbekannt wie auch herzlich egal, fühlte man sich doch eher der warnenden Polizei näher, der man beim Räuber-und-Gendarm-Spiele noch nacheiferte, bevor die Sympathien sich mit dem Stimmbruch beim ein oder anderen etwas verlagerten.
Stefan Aust hat die RAF Jahre hingegen erheblich bewusster erlebt. Schließlich war er sowohl Redakteur des linken Blattes „konkret“, so wie vor ihm auch die spätere Terroristin Ulrike Meinhof, als auch später in die Befreiung der Kinder Meinhofs aus den Händen der RAF involviert. Für sein Buch Der Baader-Meinhof-Komplex rechierte er gründlich die Geschichte der RAF, mit all ihren Figuren, Motiven, Hintergründen und den Auswirkungen auf die noch recht junge Bundesrepublik. Dieses Buch gilt nicht unverdient als Standardwerk zu diesem Thema, und Stefan Aust als einer der besten Kenner der Materie.
Wenn sich nun mit Bernd Eichinger einer der erfolgreichsten deutschen Mainstream-Kino-Produzenten dieser Materie annimmt, muss man sich fragen, ob das gut gehen kann…
Nun ja, diese Frage lässt sich nach knapp 2,5 Stunden Kino erstaunlich leicht beantworten: Es geht gut, und zwar sehr. Nun lassen sich 10 Jahre RAF nur mit Mühe auf immerhin 900 Seiten bannen. Aber fürs Kino gelten nunmal noch andere Regeln, so dass die Geschichte prinzipiell niemals in ihrer gesamten Komplexität erzählt werden kann. Anscheinend ohne allzuviel zielgruppenorientierten Einfluss von Eichinger gelingt Uli Edel das Kunststück, die Abläufe auf ihre Kernereignisse zu reduzieren. So erhält man trotz der unausweichlichen Auslassungen auch als Laie einen sehr guten Überblick über die RAF. Beginnend mit Studentenprotesten in den 68ern, dem Tod von Benno Ohnesorg, den ersten Kontakten zwischen Ulrike Meinhof und Andreas Baader, der zunehmenden Radikalisierung, den ersten Bomben, der verahftung und der Flucht, bis hin zur Entführung der Landshut führt uns Uli Edel durch die Ereignisse. Wie zuvor Stefan Aust bezieht auch Edel keine Stellung. Schonungslos zeigt er uns die Grausamkeit der RAF, sowohl untereinander wie auch gegen die Bundesrepublik, aber auch das teils nicht minder grausame Wirken der Staatsgewalt.
Geradezu erschütternd ist aber ist es, wie genau die Schauspieler ihre Figuren treffen. Die erste Riege der RAF wird von der ersten Riege deutscher Schauspieler mit einer Präzision getroffen, die einen die Grenzen zwischen Film und Realität vergessen lässt. Besonders Moritz Bleibtreu, Martina Gedeck und Johanna Wokalek liefern als Kernfiguren eine wirklich beeindruckende Vorstellung ab. Gestützt werden all diese Leistunge von der perfekten Ausstattung (wo haben die eigentlich die ganzen alten Autos her?) und der soliden Kameraarbeit, die die 60er und 70er perfekt in Szene setzen.
Zu mäkeln gibt es angesichts dieser Leistungen wenig, wer genug Sitzfleisch hat und der gezeigten Brutalität mit dem Bewusstsein gegenübertritt, dass sie sehr real und vermutlich deutlich grausamer so stattgefunden hat, der wird eine Geschichtsstunde erster Güte erleben, wie man sie sich in der Schule, damals, in den 80ern, mit all den schönen Fahndungsplakaten, immer gewünscht hätte. (9 / 10)